Ein Schwarzfunker

Manchmal ließ eine Reederei die Geräte im Funkraum modernisieren. Dabei stellte sich die Frage, wohin mit dem ausgemustertem Empfänger oder Sender. Meistens wurden diese Geräte schlicht verschrottet. So ergab sich für mich die Gelegenheit, mit Einverständnis des Reeders, einen amerikanischen Empfänger aus dem zweiten Weltkrieg mit nach Hause zu nehmen. Eingebaut war dieses Gerät auf einem Liberty Schiff unter griechischer Flagge. Habe dort einen modernen Hagenuk RX dafür eingebaut. Bei dem geerbten Empfänger handelte es sich um einen RCA AR- 8506 B  mit einem Empfangsbereich von 85 kHz bis 25 MHz in 4 Bereichen. Diesen RX habe ich repariert, neu abgeglichen und somit wieder zum Leben erweckt. Als Highlight habe ich  im Oktober 1957 den Sputnik 1 auf 20,005 MHz damit empfangen. Ansonsten konnte man damit z. B. die deutschen Küstenfunkstellen, Amateurfunkstationen, Wetterstationen etc. gut hören.

Empfänger RCA AR–8506 B Empfangsbereich 85 kHz bis 25 MHz Quelle: Gerätehandbuch

 

Auf ähnliche Weise bin ich später auf einem deutschen Schiff zu einem Sender gekommen. Ein neuer moderner Debeg Sender wurde eingebaut und den ausgebauten LO40K39 habe ich vom Reeder geschenkt bekommen. Das Netzteil inclusive Hochspannungserzeugung musste ich dann selbst bauen. Bei diesem Sender handelte es sich im Originalzustand um ein A1 Telegrafie Gerät. Das Gerät lies sich im Bereich von 3 bis 17 Mhz in drei Teilbereichen nutzen, umfasste also ohne Modifikation bereits die drei Amateurfunkbänder 80M, 40M und 20M. Was fehlte war die Betriebsart A3. Habe einen Schirmgitter Modulator dafür gebaut damit war dann Telefonie Betrieb möglich.

Bisher hatte ich zum Empfang nur einen kurzen Draht verspannt, aber für Sendeversuche langte das nicht. Deshalb habe ich auf unserem Grundstück, zwischen zwei Bäumen, mit ca. 40 Meter Abstand eine Sendeantenne aufgezogen mit einer Ableitung in T-Form. Alle drei Amateurfunkbänder ließen sich an dieser Antenne abstimmen. Damit war nun der Test im Amateurfunkbereich möglich, aber natürlich nicht legal. In jedem Fall habe ich bei der Reparatur und dem Aufbau der Station eine ganze Menge gelernt. Naja, habe die Station mit guten Ergebnissen dann doch betrieben. Das für den Betrieb benötigte Amateurfunk Rufzeichen habe ich mir dafür „ausgeliehen“.

Der LO40K39 Betrieb von 3 bis 17 MHz in drei Teilbereichen             Quelle: Herr Busch

Es kam dann wie es kommen musste. Eines Tages standen zwei Herren vor der Tür und zeigten ihre Ausweise vor. Sie waren mir nicht durch Messungen oder Peilungen auf die Schliche gekommen, sondern schlicht war ich im Rundfunkempfänger eines Nachbarn zu hören. Wurde über meine Rechte und Pflichten belehrt und musste erklären warum ich die Station betrieben habe. Konnte dann doch wohl einigermaßen glaubhaft machen, dass ich die Station aus Weiterbildungsgründen errichtet habe. Letztlich führte es dazu, dass ich die Geräte in eine große Kiste packen musste. Diese Kiste wurde amtlich versiegelt, durfte aber im Hause bleiben. Dazu erhielt ich die Auflage binnen Jahresfrist die Prüfung zur Amateurfunklizenz abzulegen. Wenn das erfolgt ist wird keine Strafe verhängt. Grundsätzlich ist Schwarzfunken ein strafwürdiges Delikt. Deshalb war ich diesen beiden Herren zu Dank verpflichtet, für ihre Auslegung des Gesetzes.

Diesen Zettel bekam ich  um mich bei bestandener Prüfung zu melden und meine Geräte wieder aus der großen Kiste rauszuholen.

Jetzt musste ich alles dransetzen um in dem Jahr die Prüfung zu schaffen. Von der Technikseite sollte es ja nicht so schwierig sein aber mit der Telegrafie schon. Habe dann das gemacht was man nicht machen sollte. Habe Morsezeichen selbst gegeben und per Magnetofon aufgezeichnet um die Fünfergruppen später selbst wieder anzuhören. Diese Methode ist nicht zu empfehlen, aber ich habe es durchgezogen. Später, um auf Tempo zu kommen, habe ich mir die DARC Magnetbänder zugelegt und damit fleißig geübt. In den Deutschen Amateur Radio Club DARC war ich auch eingetreten. Während meiner Trainingszeit bin ich bis auf Tempo 80 beim Hören und Niederschreiben von Fünfergruppen und Klartext gekommen, um bei der Prüfung selbst dann mit Tempo 60 auf der sicheren Seite zu sein.

Die Prüfung fand beim Funkamt in Hamburg statt. In Erinnerung sind mir besonders die schweren aus Messing gefertigten Streifenschreiber geblieben, welche jeder Prüfling an seinem Platz stehen hatte. Nach geben des Prüfungstextes wurde dann das Punk zu Strich Verhältnis und die Pausenlängen sorgfältig ausgewertet. Jedenfalls habe ich die Prüfung bestanden und erhielt mein Amateurfunk Rufzeichen DJ7WL im Anschluss ausgehändigt. 

Im Nachhinein betrachtet ist es für mich aus zwei Gründen glücklich ausgegangen. Zum einen, weil die beiden Herren vom Funkamt sich so verhalten haben und ihren Ermessensspielraum zu meinen Gunsten ausgelegt haben. Zum anderen, weil ich nun ein lizenzierter Funkamateur war. Die Funkamateure in Deutschland, aber auch in anderen Teilen der Welt haben einzigartige Privilegien. Sie sind die einzige Gruppe in Deutschland welche Sendeanlagen bauen und betreiben dürfen ohne, dass eine staatliche Stelle dies beaufsichtigt oder zertifizieren muss. Das hat mir auch im weiteren Berufsleben immer wieder geholfen Weiterbildung mit Experimenten im Amateurfunk durchzuführen, welche mir in der Anwendung im Seefunk sehr geholfen haben. Weit vor der Einführung von Einseitenbandtechnik im Seefunk habe ich schon  Einseitenband Geräte selbst gebaut und betrieben. Die Debeg als Firma und deren Entwicklungsabteilung haben hin und wieder auf meine Ideen zur Verbesserung oder meine Eigenentwicklungen zurückgegriffen.

Wir haben in Bombay, dem heutigen Mumbai, hart und gegen etablierte  Konkurrenz, um den Auftrag zur Lieferung der Kommunikations- und Navigationstechnik  für die erste indische Antarctic Station gekämpft. Es handelte sich um einen Auftrag im Wert von ca. einer Million DM. Letztlich haben wir den Gesamtauftrag erhalten, weil ich ein Feature versprochen habe was die Konkurrenz nicht bieten konnte. Gefordert wurde von den indischen Auftraggeber, dass aus  sozialen Gründen ein System mit ausgeliefert wird, welches eine live Bildübertragung zwischen der Station im Eis und der Zentrale in Bombay gewährleistet. Einmal um bei medizinischen Notfällen Hilfeleistung zu bieten, zum anderen aber den Angehörigen in Indien Auskunft über den guten Zustand ihrer Familienangehörigen in der Antarctis zu bieten.

Das Problem für mich war, dass ich im Amateurfunk schon Slow Scan Television praktisch betrieben habe aber es noch nicht an eine Satelliten Verbindung adaptiert hatte. Zurück in Deutschland startete sofort die Entwicklung an diesem System. Eine SSTV Anlage bietet getrennte Anschlüsse für den Sende und den Empfangszweig, ist also ein vierpoliger Anschluss. Ein Satellitensystem, wie die von der Debeg gelieferte Satcom Anlage 3211, bietet aber nur einen zweipoligen Anschluss.  Die Spezialweiche wurde entwickelt und erprobt sowie danach zusammen mit dem Gesamtsystem ausgeliefert.

Mit diesem neu entwickelten Slow Scan TV System haben wir danach auch noch die deutsche Georg von Neumeier Station in der Antarktis und viele Forschungsschiffe  ausgerüstet. In den nachfolgenden Kapiteln wird immer wieder zu lesen sein wie mir die Erprobung neuer Techniken als lizenzierter Funkamateur bei der Anwendung in kommerziellen Projekten geholfen hat. Das Thema Schwarzfunk hat für mich letztlich doch dann nur Gutes bewirkt.

 

 

         Eine der Vereinbarungen zwischen der Debeg Entwicklungsabteilung und mir

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